Klinikalltag

Zwangsmedikation

Ich hab momentan meinen Einsatz in der Psychatrie – sehr spannend! Auf unserer Station ist die Hauptdiagnose F20-F29 (lt. ICD-10), sprich die Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen.

Eine ältere Dame ist bei uns unter PsychKG untergebracht. Hat auch schon Beschwerde eingereicht bei Gericht gegen ihre Unterbringung und wartet nur die Zeit ab, bis sie wieder raus darf. Sie lehnt jegliche Behandlung ab – seien es auch nur Routineuntersuchungen wie RR messen, wiegen oder Blutentnahmen.

Ihre Schizophrenie wurde mit Olanzapin (ZypAdhera-Depot) behandelt, welches sie alle 14 Tage als im-Injektion erhalten sollte.

Vor einigen Tagen war es dann wieder soweit, die 14 Tage waren vorüber und die Depot-Injektion stand wieder an. Im Laufe des Vormittags haben mehre Pflegekräfte und ich sie gefragt, ob die Injektion nun durchgefüht werden dürfe, jedoch lehnte sie es jedes Mal energisch ab.

injektion

Gegen Ende des Frühdienstes hieß es dann, dass sie die Medikation nun erhalten solle, gewollt oder nicht, und ich begann die Spritze fertig zu machen. Nicht ganz leicht, da es sich um Pulver handelt, welches erst mit Lösungsmittel aufgelöst werden muss und sich nur ganz schlecht auflöst.

Als ich alles vorbereitet hatte, fragte mich die Schwester, ob ich denn auch die Injektion durchführen wolle. Zuerst war ich mir unschlüssig: Patientin lehnt die Medikation ab, wehrt sich vielleicht und müsste dann fixiert werden, bei der Durchführung würden mir mindestens 5 Leute auf die Finger schauen… naja, aber schlussendlich hab ich mich dann doch dafür entschieden, dass ich die Injektion durchführen werde. Im-Injektionen kann man nicht oft genug üben und es kommt wirklich nicht mehr oft vor, dass man irgendwas intramuskulär spritzen muss.

Also wurde Stationsarzt und Oberärztin angerufen. Als diese da waren, gingen wir gemeinsam ins Zimmer der Patientin: die Schwester (mit der ich abgesprochen hatte, dass wenn die Patientin sich wirklich wehren sollte, dass sie die Injektion durchführt), Stationsarzt, Oberärztin, Praktikantin, PJler, ein weiterer Schüler und ich. Soviel Personal, da die Patientin ggf. fixiert werden muss. Zuerst wurde die Patientin nochmal gefragt, ob die Injektion nun durchgeführt werden dürfe und ihr nochmal die Notwendigkeit der Medikation erläutert. Sie lehnte ab. Nach mehreren erfolglosen Überzeugungsversuchen wurde ihr dann gesagt, dass die Injektion nun unter Zwang durchgeführt werden müsse. Darauf wehrte sich die Patientin nochmal deutlich verbal mit den Worten „Gott sieht alles“ und drehte sich dann auf die Seite und ließ die Injektion doch zu.

Nach der Durchführung der Injektion hatte ich doch ein mulmiges Gefühl, da es ja eine Maßnahme gegen des Willen des Patienten war. Zwar ist die Patientin psychisch krank, aber trotzdem…
Es war mal wieder ein neue Erfahrung, da bis jetzt alle Patienten mit den medizinischen und pflegerischen Maßnahmen einverstanden waren, die ich an ihnen durchgeführt habe.

Foto von Dr Case auf Flickr.com unter CC-Lizenz

Über den Autor

Matthias

Medizinstudent, Papa, (ehemaliger) Gesundheits- und Krankenpfleger auf einer großen Intensivstation sowie leidenschaftlicher Blogger und Jogger.

12 Kommentare

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  • Jetzt muss ich aber doch mal Nachfragen. Verstößt so eine Zwangsmaßnahme nicht gegen die Grundrechte der Patientin? Ich meine sie hat doch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und die ist bei so eine Zwangsmaßnahme ja nicht mehr gegeben, oder?

    Gruß

    Sven

  • Sorry, aber das finde ich echt ein wenig sehr krass… Zwangsmedikation hin oder her, solange der Pat. davon nicht stirbt hätte ich dies nicht veranlasst. Weder als Arzt, noch als Professor XY. Hier hört mein Verständnis auf.. Psychisch-Krank hin oder her..

    wozu lernt man die 14 Grundbedürfnisse + die menschlichen Grundrechte ?
    Ich möchte nicht aufzählen, wie viele Grundbedürfnisse und Rechte gebrochen wurden, oder besser noch „geltend“ waren..

    Das soll jetzt keine Kritik an Matthias sein. Dennoch hätte ich versucht an seiner Stelle die Kollegen zu überzeugen es zu lassen, da nicht unbedingt Lebensnotwendig (falls richtig verstanden). Und wenn es mich mein Job gekostet hätte..

    Im ernst: Matthias du tust mir ein Stück leid nach so einer Erfahrung… Bitte fasse meinen Kommentar nicht als Diskriminierung o.ä. auf…

    • Ich kann deine Bedenken verstehen und es ist wirklich ein schmaler Grad, jedoch kommt es doch bei jeder Handlung auch auf die Umstände, das Setting, etc. an. Und dies in einem Beitrag zu beschreiben ist wirklich schwer. Somit kann es natürlich als sehr krass in der Erzählung rüberkommen, ohne das die Rahmenbedingungen wirklich mit beachtet werden.

      Ich hatte ja zu jedem Augenblick die Möglichkeit zu sagen, dass ich nicht einverstanden bin oder ich hätte die eigenständige Durchführung ablehnen können. Das habe ich jedoch nicht getan, da auch ich die Maßnahme als richtig empfand.

      Die Durchführung der Behandlung war u.a. gerichtlich genehmigt, da es bei einer Nichtbehandlung zu einer Abnahme der neuroleptischen Wirkung der Medikation gekommen wäre und somit das Selbstgefährdungspotential erheblich gestiegen wäre.

      Die Patientin war/ist ja nicht ohne Grund stationär untergebracht.

  • Okay, ich glaube über die gerichtliche Genehmigung bin ich wohl nicht ganz gestolpert. Eine kleine Kurzschlussreaktion. Dennoch, wie du es schon sagst ist ein solcher Fall eine Grauzone..

    Ich hätte nicht gerne in deiner Haut gesteckt – Respekt!

  • Die Würde Leben in unserer Gesellschaft.
    Hier finden Sie Nachrichten und Informationen zum Thema Schizophrenie. Wir möchten eine Art soziales Erklärungsmodell schaffen, das dazu beiträgt, den Namen „Schizophrenie“ im sprachlichem Umgang, in neutralerem Umgang in unserer Gesellschaft gewinnbringend zu Begreifen.
    Mit freundlichen Grüßen Magazin Denkausbruch, Andreas Knoblauch

  • Dir ist aber schon klar, daß Du mit dem, was Du hier beschrieben hast, eine Straftat nach § 224 StGB begangen hast, oder? Damit stehst Du mit einem Bein im Knast. Du kannst nur hoffen, daß hier kein Staatsanwalt mitliest.

  • Die arme Frau, daß sie sich lediglich in ihrer nichtverstandenden, systematisch-ausgebeuteten Not auf Gott berufen kann. Und dann noch Zyprexa als Depot, DAS Skandalmedikament der Psychiatrie.
    Bäh, scheiß „Pleger“!

  • Wenn Sie Pfleger auf einer Station einer Psychiatrie sind, dann sollten Sie sich aber mal Gründlich über die Entwicklung der Psychiatrie befassen.
    Das System ist heute nämlich nicht anders als zu den Nazizeiten.
    Ich empfehle mal http://www.zwangspsychiatrie.de

    Diese ganzen Diagnosen sind größtenteils eine Lüge um Geld zu verdienen.
    Sehen Sie sich als Sklave der Pharmaindustrie an, wir alle werden ausgebeutet.
    Denken Sie mal an die Geschichte der Patienten und überlegen Sie sich mal gründlich ob sie Ihnen mit Zwangsmassnahmen helfen oder nicht.
    Durch diese Maßnahmen sind schon zu viele Patienten gestorben in Psychiatrischen Folteranstalten aka Futuristisches Konzentrationslager.

    • Die Wirkung von Neuroleptika ist extrem unangenehm und könnte man als Folter sehen. Auch die Folge für die Gesundheit und mentale Leistungsfähigkeit sind erheblich. In Entwicklungsländern werden Psychosen erfolgreicher behandelt als in den Industrieländern, wohl vermutlich gerade weil dort keine Neuroleptika zur verfügung stehen. Ich persöhnlich habe nur 2 Psychotiker kennen gelernt die einen normalen Job hatten und einigermaßen normal wirkten. Beide haben sich gegen ein Behandlung mit Neuroleptika entscheiden…

      Ich weiß daß als Pfleger in der Psychiatrie der Job von der Zwangsmedikation abhängt, Ich könnte es niemals mit meinen Gewissen vereinbaren Patienten mit solchen Mitteln zwangs zu behandeln. Lieber würde ich Arbeitslos werden. Die meisten Patienten wehren sich gegen die Medikamente nicht, da ihnen klar ist, dass sie ansonsten gezwungen werden.

  • Mir wurde im Frühjahr 2010 eine Depospritze ZYPADHERA gegen meinen Willen verabreicht.

    Ich kenne diesen Zustand der absoluten Hilflosigkeit auf einer Psychiatrie-Station nur zu gut.

    Ich sollte auch alle 14 Tage eine weitere Depotspritze erhalten…..hatte mich aber gegen alle Medikamente entschieden und das war wohl auch gut so.

    Den Ärzten und der Pharmaindustie hätte es bis heute über 30 Tsd.€ Umsatz gebracht.

    Allen Pflegern die sich hier im Forum treffen sei gesagt: Begebt Ihr euch einmal selbst in
    eine solche Situation, Ihr würdet das ganze mit anderen Augen sehen.
    Wer diese Mittel noch nie in seinem Leben nehmen musste kann nicht mitreden. Auch nicht als
    Pfleger. Ein Psychopharmaka gegen den eigenen Willen verabreicht zu bekommen sollte wie eine
    Straftat geahndet werden. Leider hat man als Patient keinerlei Möglichkeiten dem entgegen zu setzten.
    Den Angehörigen & der Öffentlichkeit wird ein ganz anderes Bild der Psychiatrie vermittelt. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus.

    Ich arbeite wieder ganz normal und das OHNE MEDIKAMENTE………………..

    Alle Pfleger sollten sich einmal den Film „Das Experiment“ ansehen…..genau so kommt man sich als Patient in einer Psychiatrischen Einrichtung vor.

    Hinter verschlossenen Türen lässt sich immer ungestört Arbeiten…….dort findet ein makaberes Spiel
    statt. Es kann Jeden treffen.

    Dies zur Info!
    Ein ehemaliger Patient aus der Psychiatrie Göttingen Von-Siebold Strasse 5

    Diagnose lt. Ärzte: Bipolare affektive Störung, ggw manische Episode ohne psychiotische Symtome (ICD 10: F31.1)

    Entlassungsdosis lt.Klinikbefund:
    Olanzapin mg: 10-5-10-0 Valpoinsäure: 600-0-0-900 Diazepan mg: 10-5-5-10, & Timonil.
    Die Dosis bezieht sich immer auf morgens,mittagas,abends,nachts.

    Meine Enddosis sollte sein:
    Alle 14 Tage ZYPADHERA 300ml Depospritze in Verbindung mit täglicher Einnahme von Lithium.

    Nichts von der obigen Dosis habe ich jemals genommen.
    Ich wurde auf eigenem Drängen entlassen (Frühj.2010) und das war auch gut so…!
    Ich kann hier aber nur für mich sprechen, über Risken und Nebenwirkungen sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker…oder lieber nicht?…muss Jeder selbst entscheiden!
    Passt gut auf Euch auf……es kann Jeden treffen..

    Liebe Grüße Zorro

    Mail: Psychiatrie.Nebenwirkung.Tod@gmail.com

  • warum haben Sie das getan? Befehlsnotstand?? Eigene Überzeugung?? sehr abstoßend – witzig finde ich die Begründung „üben“.
    Armin Lawo